“Hater kann ich unter ‘Spinner’ ablegen” – Awet Tesfaiesus über ihre Arbeit als Bundestagsabgeordnete.
Meilenstein-Setzerin: Awet Tesfaiesus hat öfter mit dem Gedanken gespielt, Deutschland zu verlassen, sagt die Bundestags-Abgeordnete im turi2 Jobs-Podcast. Als Abiturientin habe sie das erste Mal gedacht: "Ich habe keine Chance in diesem Land, in dem Asylbewerber-Heime angezündet werden und Menschen drumherum applaudieren." Mit Aline von Drateln spricht die gebürtige Eritreerin über die Einsicht, die sie letztendlich hatte: "Vor Rassismus kann man nicht weglaufen." Also beschließt Tesfaiesus "daran mitzuwirken, etwas zu verändern". Ihrer politischen Karriere helfe es, dass sie Juristin ist. Die Arbeit mit den Gesetzen sei ihr bekannt, "ich kann mich damit schnell anfreunden". Ansonsten brauche sie vor allem die persönliche Erfahrung als schwarze Frau, "um zu erkennen, wo Veränderung nötig ist".
Seit September sitzt Tesfaiesus für die Grünen als erste schwarze Frau im deutschen Bundestag. Sie habe nicht jahrelang auf das Mandat hingearbeitet: "Das war eine kurzfristige Entscheidung." Grundsätzlich sei sie aus "recht unpolitischen" Gründen in der Partei gelandet und habe sich aus Zeitmangel anfangs wenig eingebracht. Erst 2016, mit dem Einzug der AfD ins Kasseler Stadtparlament, wird Tesfaiesus aktiver. Als schwarze Frau möchte sie der AfD gegenübersitzen und "den Gegenpart bilden". Der Anschlag in Hanau 2020 rüttelt Tesfaiesus schließlich wach. "Das hat mich emotional so getroffen, dass ich das System verändern wollte."
Den Hass im Netz, den sie in ihrer Position als schwarze Politikerin erfährt, blendet Tesfaiesus aus. "Hater kann ich unter 'Spinner' ablegen." Worüber sie sich wirklich ärgere, sei der Rassismus im Alltag. Menschen, "die meinen, es sei nicht so schlimm", oder die "selbst nicht erkennen, wenn etwas rassistisch ist" – das präge ihren Alltag und "erniedrigt unsere Chancen".
Awet Tesfaiesus ist eines von 100 Jobs-Vorbildern aus der turi2 edition #17 (kostenlose E-Paper). Die Podcast-Reihe turi2 Jobs begleitet die Buch-Veröffentlichung und die neue Jobs-Plattform turi2.de/jobs.