BR-Intendantin Katja Wildermuth über Vielfalt, Spardruck und mobiles Arbeiten.
"Das Wichtigste ist, dass die Kolleginnen und Kollegen innerhalb des Senders Vielfalt nicht als eine Pflichtübung verstehen, sondern als Bereicherung", sagt BR-Intendantin Katja Wildermuth im Interview bei turi2.tv und im turi2 Podcast. Seit einem Jahr steht sie als erste Frau an der Spitze des Bayerischen Rundfunks und räumt ein: "Wir haben viele Jahre vergleichsweise homogen rekrutiert". Förderprogramme wie Puls Talente sollen den BR diverser machen, 40 Redaktionen im Haus beteiligen sich an der von der BBC initiierten 50:50-Challenge. Sie hat das Ziel, Männer und Frauen gleichermaßen als Gesprächspartnerinnen ins Programm Programm zu holen. Vielfalt versteht Wildermuth nicht nur im Hinblick auf Geschlecht oder kulturelle Herkunft, sondern auch auf soziale Herkunft, Haltung, Bildungswege und Lebensentwürfe. Die Vielfalt der Gesellschaft könne der BR im Programm nur abbilden, "wenn wir die Polyperspektivität auch bei uns haben". Diversität nach Quote hält sie nur für die "Ultima Ratio".
Im Gespräch in ihrem Büro im 15. Stock des Münchner Funkhauses erzählt Katja Wildermuth auch, wie sich Corona auf die Arbeit im BR auswirkt. "Ich arbeite wahnsinnig mobil, ich habe meinen Laptop oder mein iPad dabei. Sie können mich überall hinsetzen", sagt sie. Zu Hause am Küchentisch arbeite sie selbst jedoch eher selten. Ginge es nach Wildermuth, hätte sie mobiles Arbeiten oder Home-Office ohne tägliche Präsenz im Sender schon viel früher eingeführt: "Eigenverantwortung ist der Schlüssel für das Überleben im 21. Jahrhundert. Ich bin mir sicher, die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter können am besten einschätzen, wie sie ihre Arbeit gut erledigen." Dabei sei es Aufgabe der Führungskräfte, darauf zu achten, dass Beschäftigte "im Home-Office nicht vereinsamen", die Grenze zwischen Arbeit und Privatleben nicht verschwimmt und die Teams "auch mal Spaß miteinander haben", was in ergebnisorientierten Videokonferenzen oft zu kurz komme.
Wie die gesamte ARD steht auch der BR unter Spardruck – obwohl der Rundfunkbeitrag 2021 gestiegen ist. Vorbei seien die Zeiten, in denen ein Programm für alle reicht: "Jeder möchte am liebsten auf ihn zugeschnittenes Programm", sagt Wildermuth. "Wir müssen aufpassen, dass wir nicht nur innerhalb des Bestehenden sparen", irgendwann habe das Prinzip "Schnall den Gürtel enger" seine Grenzen. Dann stelle sich die Frage: "Welche Inhalte, welche Programme sind uns wirklich wichtig?" Diese müsse der BR dann finanziell so ausstatten, dass Macherinnen und Produktionsfirmen "davon auch wirklich leben können". Es gehe darum, "nicht mit dem Rasenmäher zu sparen, sondern strategisch".
Weitere Themen im Interview sind u.a. der Umgang mit geschlechtergerechter Sprache, die federführende Rolle des BR innerhalb der ARD bei Wissenschaft und Bildung, Dokus und ökologischer Nachhaltigkeit sowie die Bedeutung von unabhängigem, professionellen Journalismus in Zeiten, in denen jeder und jede Inhalte erstellen und verbreiten kann.